Start
Samstag früh, 7:35h, 11. Mai 2024. Ich stehe an der Startlinie des Ultratrail Snowdonia am National Slate Museum in Llanberis, Wales. Kurz zuvor wurde die erste Welle auf den Weg geschickt. Ich stehe in der zweiten Welle und warte auf meinen Start um 7:45h.
Der UTS ist Teil der UTMB-World-Series, der größten und bedeutensten Laufserie im Trailrunning, vergleichbar mit dem Ironman im Triathlon. Gemeldet bin ich für die 50K-Klasse, am Tag zuvor sind bereits die 100K und 100M gestartet, die 25K-Klasse vervollständigt das Rennquartett.
2.700 Läufer aus 65 Nationen kämpfen sich dieses Jahr durch dies vier Wettbewerbe.
50K bedeutet dabei 50km, was allerdings nur eine grobe Einteilung ist. Anders als beim Straßenlauf werden im Trailbereich Strecken nicht vermessen. Die exakte Länge weiß nicht mal der Veranstalter, auf der eigenen Internetseite gibt er gleich 3 verschiedene Längen zwischen 55 und 58 Kilometer an, einher geht das mit 3.400 Höhenmeter die auf dieser Strecke zu bewältigen sind. Das Zeitlimit beträgt hierfür 14 Stunden und 30 Minuten. Das klingt nach einer langen Zeit, ist es aber nicht. Wenn die Strecke das Laufen zulässt, sollte man laufen, sonst schafft man die Zeit nicht.
Noch wenige Minuten. Das Wetter ist prächtig. Es wurde kein Regen für den gesamten Tag vorhergesagt, dafür wird es warm. Noch ist die Temperatur angenehm. Rhythmisches Trommeln dröhnt über den Startbereich und peitscht die Läufer zusätzlich an. Die Spannung aber auch die Freude ist jedem anzusehen. Die Flanke des Snowdens im Blick warten alle auf den Start.
Dann ertönt der Startschuss und das Feld setzt sich in Bewegung. Jetzt heißt es ruhig bleiden und nicht überdrehen. Bewusst langsam trabe ich den ersten Kilometer durch die Straßen von Llemberis.
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Bwlch Glas
Sogleich erfolgt der erste große Anstieg. Auf 7 Kilometer gilt es 1000 Höhenmeter zu bewältigen. Die Strecke folgt dem Llanberis-Path den Snowden hoch bis zum Gebirgssattel Bwlch Glas.
Gemeinhin wird diese Strecke abfällig als Touristenpfad bezeichnet und tatsächlich ist dieser Weg für einen Wanderweg sehr gut ausgebaut. Das ist auch gut so, denn noch ist das Feld sehr unsortiert. Wie bei jedem Rennen, haben sich wieder einige Leute in den falschen Startblock geschummelt. Das ist ärgerlich, denn das Überholen ist manchmal recht mühsam und der Platz begrenzt.
Ich komme gut voran, die Stimmung im Feld ist sehr gelöst. Überall hört man freudiges Geschnatter, ich selber komme mit zwei Schweizer ins Gespräch. Irgendwie absurd, dass der erste Kontakt ausgerechnet Leute sind, die deutsch sprechen. Nach kurzer Zeit lasse ich mich zurückfallen. Deren Tempo mitzugehen wäre nicht klug, immerhin haben sie ja auch nicht nur am Kronsberg trainiert. Viele weitere Kurzbegegnungen werden noch folgen. Überhaupt ist das schöne am Trailrunning, dass das Untereinander zwischen den Läufern viel entspannter ist.
Es geht nicht darum irgendwelche Bestzeiten hinterherzujagen. Zeiten sind ohnehin nicht vergleichbar, dafür sind die Streckengegebenheiten überall viel zu unterschiedlich.
Jeder kämpft gegen sich selbst und das Läuferpalaver ist eine willkommene Ablenkung.
Schnell mache ich Höhe und kann erstmalig die Aussicht genießen. Ich blicke zurück auf den Startort Llanberis und seinen zwei Seen Llyn Padarn und Llyn Peris. Wie ein nicht enden wollender Lindwurm schlängelt sich das Läuferfeld den Llanberis-Path empor. Ein paar schnelle Bilder dann geht es auch schon weiter.
Bevor ich oben ankomme, ist es Zeit für die erste Essensration. Neben der körperlichen Fitness bzw. der Renneinteilung ist die Nahrungs- und Flüssigkeitsversorgung bei diesen Distanzen von elementarer Bedeutung. Als drittes rundet die psychische Stärke das Paket ab.
Bei einer prognostizierten Zeit von 12 Stunden und bei dieser Strecke verbrauche ich und rund 6.000 Kalorien bei 12 Litern Flüssigkeitsverlust. Das gilt es permanent auszugleichen. Man sagt nicht von ungefähr, dass Ultraläufe Wettbewerbe im Essen sind.
Mein Essensplan sieht vor 4.000 Kalorien und 10 Liter Wasser auszugleichen, absurde Mengen, aber notwendig. Apetitlos zwänge ich mir den ersten Riegel rein. Das Hinterhälige ist, wenn das Hungergefühl aufkommt, hast du verloren, deshalb muss alles im Vorwege passieren.
Schließlich erreiche ich Bwlch Glas. Wenige hundert Meter vor mir ragt die Spitze des Snowden empor. Rechter Hand erblicke ich die Berge Mynydd Mawr und Moel Eilio. Diesen drei Gipfel werde ich später erreichen, das wird aber noch ein wenig dauern. Anders als die 25K-Läufer führt mein Weg nach links, den Berg wieder hinab.
Pyg Track
Die nächsten 6 Kilometer geht es den Pyg Track abwärts nach Pen-y-Pass. Auf großen Natursteinstufen schlängelt sich der Weg den Berg talwärts. Der Ausblick ist spektakulär. Vor uns und zur rechten offenbart sich uns die Sicht auf die Seen Glaslyn und Llyn Llydaw, links ragt der ikonische Bergkamm Crib Goch empor. Crib Goch gilt als einer der berühmtesten und zugleich berüchtigsten Felsgrade in Großbritannien. Jedes Jahr stürzen hier ein dutzend Menschen zu Tode.
Nicht ganz so gefährlich laufe ich den Pyg Track hinab. Der Weg ist technisch aber weitestgehend laufbar. Zum Glück sind die Steine trocken. Es macht richtig Spaß von Fels zu Fels zu springen und zügig hinabzusteigen. Für die Wanderer muss es verrückt aussehen, wie die Läufer diesen Weg runterlaufen. Ich fühle mich wohl und komme gut voran. Unvorsichtig darf ich aber nicht werden, ein Sturz und das Rennen könnte hier vorbei sein.
Am Fuß erwartet mich nicht nur eine unerwartete Wasserstation, sondern auch der längste bequem laufbare Streckenabschnitt und die erste offizielle Verpflegungsstation.
Der UTS 50K ist ein halbautonomes Rennen. Es gibt lediglich drei Verpflegungsstellen, der Weg ist gut ausgeschildert, Streckenposten gibt es nur an wenigen Stellen. Über eine Tracking-App bin ich durchgehend mit der Wettkampfleitung verbunden. Hilfe kann darüber auch angefordert werden, bis diese aber da ist, kann es etwas dauern. Selbstverständlich ist auch jeder Läufer verpflichtet einem anderen Läufer in Not zu helfen.
Hinzu muss jeder Läufer jederzeit eine gewisse Pflichtausrüstung bei sich tragen. Zwei dutzend Gegenstände umfasst diese Liste, von Notfallpfeife bis Wechselkleidung. 7kg wiegt mein Rucksack, wobei das meiste Wasser und Nahrung ist. Beim Thema Essen verlasse ich mich nicht auf den Veranstalter. Nur was von mir ausreichend erprobt ist, findet den Weg in meinen Magen. Puke and poop hat schon so manches Rennen beendet.
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Snowden (schon wieder)
Der schwierigste und längste Anstieg steht an. Zunächst bleibt es aber angenehm laufbar. Entlang des Flusses Afon Gleslyn und dem See Llyn Gwynant gelangen wir auf idyllischen Wegen zum Örtchen Nant Gwynant auf der andere Seite des Yr Wyddfa, wie der Snowden in Wales offiziell heißt. Mittendrin offenbart sich plötzlich ein tierisches Hindernis. Ein großer schwarzer Bulle hat sich miiten auf dem Weg zur Mittagsruhe gelegt. Links dichtes Gestüpp, rechts ein Weidezaun. Uns bleibt nichts anderes übrig, als über den Zaun zu klettern und den Weg über seine Weide fortzusetzen um hinter dem Bullen zurück auf den Weg zu klettern. Mein Mitläufer kommentiert das kurz und knapp mit „Wales.“ Damit ist alles gesagt.
Dann beginnt der Anstieg. Zunächst verläuft die Strecke auf dem Watkin-Path. Parallel zum Weg verläuft ein Gebirgsbach der sich in vielen kleinen Wasserfällen den Berg hinunterarbeitet, immer wieder unterbrochen von kleinen Becken, die die Einheimischen zum Baden nutzen. Auch ich würde jetzt gerne baden. Wir haben Mittag und es ist warm geworden. Aber für Pause ist keine Zeit. Zwar habe ich den ersten Cut-off um über eine Stunde unterboten, trotzdem ist die Zeit knapp. Ein wenig erschnorrte Sonnencreme muss erstmal gegen die Sonne genügen.
Auf halben Weg zum Gipfel verlassen wir den Watkin-Path und schlagen eine Traverse zum Rhyd Ddu Path, direkt auf dem Südgrad des Snowden. Gleichzeitig ist es auch die letzte Möglichkeit an Wasser zu kommen. Während im letzten Pool ein halbes dutzend Leute planschen, fülle ich noch einmal meine Wasservorräte auf. Das Wasser ist klar, kühl und sauber, ein Traum. Zwei Liter habe ich dabei und die brauche ich auch, denn jetzt wird es richtig anstrengend. Der nächste Verpflegungspunkt ist drei Stunden entfernt und auch sonst wird es die nächste zwei Stunden keine Möglichkeit geben an Wasser zu kommen.
Um auf den Grad zu kommen, muss eine steile Felswand erklommen werden. Über ein Geröllfeld geht es direkt in die Wand zum Scrambeln. Scrambeln ist ein Begriff aus dem Bergsport, das wohl am ehesten mit dem bayrischen Kraxeln übersetzbar ist. Scrambeln ist leichtes Klettern, bei dem mindestens eine Hand zur Unterstützung notwendig ist.
Auf dem Grad geht es anspruchsvoll weiter. Bei leicht aussetzigem Gelände fallen links und/oder rechts die Flanken mehrere hundert Meter ab. Wer hier über die Kante kippt wird erst unten wieder gestoppt. Zum Glück bin ich recht schwindelfrei und trittsicher. Eine Läuferin vor mir hat damit größere Probleme. Unsicher tastet sie sich langsam vorwärts. „Are you ok?“ -„Yes“ - “OK, stay safe.“. Für mehr ist keine Zeit, ich möchte vorankommen und der Weg ist noch weit.
Der Gang über den Grad ist für mich eine einzige Freude und für mich der schönste Streckenabschnitt. Bei wolkenfreiem Himmel bietet sich eine einmalige Sicht über die Bergwelt des Eryri-Nationalpark. Auch wenn ich den Weg hier oben sehr genieße, so ist er doch sehr beschwerlich. Immer wieder gibt es kurze Scrmabling-Passagen und Wanderer und Läufer müssen passiert werden. Auf diesem schmalen Gradweg durchaus eine Herausforderung.
Dieser Abschnitt ist zugleich auch der mit Abstand langsamste Streckenabschnitt. Für die drei Kilometer vom Einstieg in die Wand bis zum Gipfel brauche ich ganze 80 Minuten. Das anfangs noch zahlreiche Gequassel ist spätestens hier komplett zum Erliegen gekommen. Jeder reiht sich stillschweigend in den Tross zum Gipfel ein.
Umso überwältigender ist dann die Ankunft am Gipfel. Wie bei der Tour-de-France laufe ich durch massenweise Menschen aus Angehörigen und Touristen. Unter tosendem Beifall wird jeder Läufer angefeuert. Erschöpft nehme ich mir eine Minute um mich kurz zu erholen und etwas zu essen. Am Gipfelhaus hat sich indessen eine lange Schlange an Läufern gebildet um sich am Kiosk selbst zu Versorgen. Für mich heißt es aber abwärts den Ranger-Path zum nächsten Verpflegungspunkt.
Zum größten Teil ist der Weg gut laufbar, trotzdem wird der Lauffluss ständig von sehr gerölligen Abschnitten unterbrochen bei denen mir das Laufen in meiner jetzigen Verfassung zu gefährlich erscheint. Nach der Hälfte der Strecke und zwei Drittel der Höhenmeter hat der Kurs seine ersten Spuren bei mir hinterlasse. Allen voran spüre ich meine Oberschenkel deulich. Bei jedem Schritt bergab fangen sie meinen Körper ab und bremsen meinen Lauf. Aufgrund der Steilheit traue ich mich nicht laufen zu lassen, denn wenn ich zu schnell werde kann ich nicht mehr bremsen. Bisher bin ich sturzfrei durchgekommen und das soll mir auch bis zum Ende gelingen.
Neben meinen Oberschenkeln meldet sich langsam mein Rücken zu Wort. Im Training laufe ich selten mit Rücksack, und wenn dann mit deutlich geringerem Gewicht. Ebenso habe ich - wie üblich - besseren Wissens so gut wie kein Stärkungstraining für den Oberkörper gemacht. Das rächt sich jetzt. Beim nächsten Mal achte ich mehr darauf. Ganz bestimmt.
Unten angekommen bahnt sich das nächste Unheil an. Der Weg durch die Weidenflächen ist teilweise nass. Bisher sind meine Füße trocken geblieben, das ist jetzt Makulatur. Nässe ist der Tod für die Füße, besonders wenn immer wieder Dreck in die Schuhe gerät.
Es bringt aber nichts etwas zu beklagen, was man eh nicht ändern kann.
Mynydd Mawr
Nach wenigen Kilometern errreiche ich den zweiten Verpflegungspunkt. Nachdem ich becherweise Cola in mich reingeschüttet habe, wende ich mich dem Essen zu. Während ich beim ersten Stop das Essen ignoriert habe wende ich mich diesmal nicht ab. Das mit Abstand nachgefragteste Essen sind Erdnussbutter-Sandwiches mit Essiggurke. Soviel zur waliser Esskultur, sie steht damit der englischer in keinster Weise nach. Ich verzichte und schnappe mir einige Waffeln in Karamel. Hauptsache Kalorien, darauf kommt es an.
Es folgt der dritte von vier großen Aufstiegen. Nachdem ich ein kleines Wäldchen durchschritten habe offenbart sich mir ein prächtiger Blick auf den Mynydd Mawr. Im satten grün erstrahlt er vor mir in seinem ganzen Glanz. Seit dem Abstieg vom Snowden schau ich die ganze Zeit auf diesen wunderschönen Berg. Hier am Fuße ist die Wirkung einfach nur bombastisch.
Nach den Menschenmassen oben am Snowden, sind wir Läufer hier unter uns. Der wenig begangene Weg führt die grasbedeckte Flanke steil hinauf. Glücklicherweise ist das Gras trocken, ich mag mir gar nicht vorstellen wie beschwerlich der Anstieg hier bei Nässe sein muss. Schritt-für-Schritt treibe ich die Spitzen meiner Trailrunning-Stöcke in den Boden und ziehe mich langsam aber stetig den Berg hinauf als plötzlich ein Läufer in irrsinniger Geschwindigkeit den Berg hinaufrast. Die Spitze des 100K-Rennens düst voran und lässt mich wie einen Spaziergänger stehen. In der Nacht gestartet, braucht die Spitze für 103 km und 6400 Hm nur 12:41 Stunden, Wahnsinn.
Auf dem Grad angekommen offenbart sich ein zauberhaftes Panorama. Am Abgrund laufend habe ich einen sagenhaften Ausblick auf die waliser Küste und die Irische See.
Es folgt ein unspektakulärer Abstieg, der meinen Oberschenkeln gar nicht gefällt. Jeder Schritt fühlt sich an als wenn mir jemand mit dem Hammer auf die Oberschenkel haut. Eine Besserung ist unwahrscheinlich. Im Gegenteil, ich gehe davon aus, dass der Vorschlaghammer größer wird.
Unten angekommen führt der Weg über sumpfige Wiesen. Stachelige Sträucher ragen immer wieder in den Weg rein. Der leichteste Kontakt ist schon unangenehm. Durch den morastigen Untergrund komme ich nur langsam voran, das knabbert an meiner Psyche.
Mental erreiche ich meinen Tiefpunkt. Am rechten kleinen Zeh bildet sich eine Blase, der Körper schmerzt, der Weg ist noch weit und die Anfangseuphorie ist völlig verflogen. Im Moment ist alles schlecht und die Lust scheint vergangen. Es nützt nichts, es muss weiter gehen. Aufgeben ist keine Option. Zum einen holt mich hier eh keiner ab zum anderen habe ich Ziele und Pläne. Ich weiß, dass immer noch Kraft in meinem Körper steckt. Es geht weiter.
Moel Eilio
Der vor mir liegende Campingplatz baut mich wieder auf, denn das ist der dritte und letzte Verpflegungspunkt. Drei Viertel geschafft, nur noch ein Berg dann kommt das Ziel. Der Cut-Off ist kein Thema mehr. Selbst wenn ich den Rest nur wandern würde, würde ich rechtzeitig ins Ziel kommen.
Am Verpflegungsposten ist - wie immer - mein ersten Weg zum Getränkestand. Große geschlossene Behälter verhindern den Blick auf die Getränke. Daher frage ich beim nächststehenden Helfer nach. Die Kommunikation stellt sich überraschend schwierig heraus. Die bisherigen Strapazen habe anscheinend mein englisches Sprachverständnis durcheinander gebracht. Gequält bringe ich schließlich meine Frage zu Stande. Als Antwort bekomme ich irgendeinen Nonsense in einem starken waliser Dialekt zurück. Ich verstehe kein Wort, vermute aber, dass er mir irgendwelche mir unbekannten britischen Markennamen genannt hat. Egal, ich zapfe mir etwas vom ersten Bottich. Irgendwas mit Orange, passt. Ich überlege mir meine Blase aufzustechen, entscheide mich aber dagegen. Wer weiß, ob ich danach meinen Schuh wieder angezogen bekomme.
Es geht wieder den Berg hoch und wieder anfangs durch den Wald. Der Boden ist schlammig, dafür ist es angenehm kühl, sowohl der Schlamm als auch der Schatten. Der Bach kreuzt immer wieder den Weg. Ich könnte mich ebenfalls durchschlängeln und über improvisierte Brücken das andere Ufer erreichen. Der direkte Weg ist schneller und die Füße sind eh nass. Die Kühle ist jetzt auch ganz willkommen. Nach neun Stunden wird man prosaisch. Stumpf ist Trumpf. Bevor es wieder in die pralle Sonne geht, laufe ich an dem berühmten roten Sessel vorbei, der hier die Läufer verhöhnt. Von weitem lädt er noch zu einer Rast ein um dir dann seine fehlende Sitzfläche zu präsentieren. Der Bach verlässt mich und es es ist ein letztes Mal die Gelegenheit die Wasserflaschen aufzufüllen.
Der letzte große Anstieg führt über sechs Kilometer die weiten Grasflächen des Moel Eilio hoch. Angenehemerweise merklich weniger Steigung als bei den Bergen zuvor, aber es zieht sich. Oben angekommen begrüßen mich zwei der seltenen Streckenposten an ihrem Notfallzelt. Sie beglückwünschen mich schonmal zu meinem erfolgreichen Rennen. „Just two more little bumps“. Nach 50 Kilometern eine glatte Lüge. Besonders der letzte dieser kleinen Hubbel zieht noch einmal richtig an. Jeder kleine Anstieg schmerzt. Ich verorte seine Motivation dann auf eine grundsätzlich andere Aufassung des Begriffes „bump“. Ein Problem, dass auch viele Bayern haben, wenn sie die Vielzahl auf „Berg“ referenzierten Ortsbezeichnungen in Norddeutschland sehen.
Ziel
Dann ist der letzte Berg erklommen und es geht nur noch bergab bis zum Ziel in Llanberis. Ein letzter knackiger Abstieg lässt nochmal die Oberschenkel glühen, dann erreiche ich nach ewig langer Zeit wieder einen hervorragend ausgebauten Wanderweg. Bei leichtem Gefälle eigentlich idealer Laufuntergrund. Aber nur eigentlich, mein Körper pfeifft aus dem letzten Loch und es fällt mir schwer durchzulaufen. In immer kürzeren Abständen mache ich immer längere Gehpausen bis ich endlich den Ortsrand von Llanberis erreiche. Der Weg der mich ins Ziel bringt ist der gleiche mit dem es heute früh gestartet ist, jetzt aber abwärts.
Ich nehme mir fest vor die letzten beiden Kilometer zu laufen. Im Ort werde ich von zahlreichen Menschen aufs herzlichste beglückwünscht und angefeuert. Meine Blase am Zeh platzt – egal.
Ein paar Straßen weiter erblicke ich endlich das Ziel. Berauscht vom Glücksgefühl dieses große Rennen geschafft zu haben, nehme ich die letzten Kurven vor dem National Slate Museum. Auch wenn der Sportfotograf etwas anderes behauptet, springe ich mit einem großen Jubelsprung über die Ziellinie. Vollgepumpt mit Glückshormonen nehme ich meine Medaille und mein Siegerbier entgegen.
Mit Absolvierung des UTS 50K habe ich nun die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen mich für das UTMB-Finale in Charmonix beim Mont Blanc für die Rennklassen bis 100K zu bewerben. Die Plätze werden jedes Jahr im Dezember/Januar ausgelost. Ein dritter Platz beim UTS hätte das direkte Finalticket bedeutet.
Zahlen
Ultratrail Snowdonia 50K
Distanz: 58km
Höhenmeter : 3.400m
Cut-off: 14:30 Stunden
Zeit: 11:27:15 Stunden
Starter: 1.056
Platzierung: 334.